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Syrien leidenschaftslos betrachtet
Es mögen 70.000 oder inzwischen erheblich mehr Menschen sein, die im syrischen Bürgerkrieg ihr Leben verloren haben. Dabei wäre das Wort abgeschlachtet in vielen Fällen vermutlich treffender. Kein Zweifel daran besteht, dass dieses Morden vom syrischen Erbdiktator ausging, der nach Vätersitte anfangs glaubte, Volksaufstände durch Massaker wirksam bekämpfen zu können. Kein Zweifel auch, dass es sich bei dem sympathischen Augenarzt von nebenan mit dem spanischen Prinzengesicht um ein Monster handelt, dessen Bereitschaft für Machterhalt zu töten ungehemmt ist.
Erstaunlicher Weise hat er deutsche Fans. Sofern es sich dabei um die umbenannte SED und die üblichen Verschwörungsirren vom Schlage eines Elsässer oder Ken Jebsen handelt, lässt es sich vernachlässigen. Allerdings geht die Sympathie tief in bürgerliche Kreise hinein, von Islamparanoikern angefangen über bürgerliche Christen, auch Israelfreunde bis zu säkularen Kreisen. Man könnte fast glauben, Assad wäre ein moderner Jungdynamiker, der in heroischem Abwehrkampf die Werte der Zivilisation gegen finstere Moslemhorden verteidigte.
Über die syrische Opposition mache sich niemand Illusionen. Gewiss ist eine Demokratiebewegung dabei, gewiss kämpfen viele für die Freiheit von der jahrzehntelangen Assaddiktatur, eines der brutalsten Folter- und Mordregime des Nahen Ostens, aber die bewaffneten Haufen sind sehr unterschiedlich, teils Erdogan gesteuert, teils islamistische Mordgesellen, alle längst blutlüstern und im Massentöten erfahren. Dass letztere im Falle eines Sieges die Oberhand hätten, sollte befürchtend angenommen werden. Ebenso, dass ein Erfolg für Christen, Aleviten, Schiiten und andere religiöse Minderheiten nur das Schlimmste erwarten ließe.
Es mag von daher oberflächlich die Motivation der neuen Assadfreunde nachzuvollziehen sein. An der Bewertung des Despoten allerdings ändert dies nichts. Wer ihn für einen stabilen, berechenbaren Faktor hält, ist auf dem Golan hängen geblieben. Die Assads waren stets, wenn auch kalte, Todfeinde Israels und Destabilisatoren des Machtgefüges der Region. Während sie aus militärisch gutem Grund den Waffenstillstand auf dem Golan einhielten, sponserten sie alle Terrorbanden der Gegend, zerstörten den Libanon vollständig, verhinderten dort jede neue Staatlichkeit, bombten ihre Gegner zuverlässig weg, verbündeten sich mit den Mullahs und nährten, Frieden laut und unmissverständlich zurückweisend, die Hisbollah genauso, wie sie die Paten der Hamas wurden. Der Erzfeind der Juden (niemand vergesse Alois Brunner) und grausam böser Geist unter Arabiens Dämonen. Zuletzt bauten sie an einer Zulieferfabrik für die iranische Atombombenproduktion, bis Israel das aus der Luft unterband. Dass der Durchmarsch der Islamisten in den letzten Jahren bei vielen Entsetzen auslöste, darf nicht das Hirn für die Realität vernebeln.
Tatsächlich ist der syrische Bürgerkrieg aber von Beginn an viel mehr, als eine mit beispiellosem Hass ausgeführte innere Auseinandersetzung. Seine um die Macht ringenden Mitkämpfer sind die von neoosmanischem Größenwahn erfüllte Erdogantürkei, deren Vormachtträume eben dort an ihre Grenzen stoßen, der Iran, der seinen zuverlässigsten Partner braucht, die sunnitischen Regime alter und neuer Prägung, die Hamas, die die Fronten wechselte und Russland, das schlicht Einfluss und Stützpunkte nicht verlieren will. Sie alle sind Teilnehmer des Gemetzels. Treppenwitz, wenn in deutschen Medien Figuren auftauchen, die erst dann über eine angebliche Ausweitung des Konfliktes faseln, wenn die israelische Luftwaffe gegen Raketenübergaben an die Hisbollah eingesetzt wird. Längst bedienen Russen Raketen, kämpfen iranische Truppen, Hisbollah Terroristen, Dschihadkrieger aus aller Herren Länder gegeneinander, liefert die Türkei den Rebellen Hinterland und Infrastrukur, dann und wann auch Artilleriebeschuss.
Das Schlaglicht aber, das der israelische Luftangriff und die letzten Erfolge des Regimes unter Einsatz der Hisbollah warf, beleuchtete mit einem Male grell den strategischen Hintergrund des Konfliktes, der zu einer völligen Veränderung der Kräftelandschaft führen könnte. Er ist auf das engste mit den iranischen Bombenträumen, den Fantasien der dortigen Herrscher von der Vernichtung Israels und dem möglichen amerikanischen oder israelischen Präventivschlag gegen die Bombenfabriken verknüpft.
Der Aufstand in Syrien schwächte den Iran anfangs massiv. Seine einzige glaubwürdige Möglichkeit, bei einem Angriff Vergeltung zu üben, sind seine Hilfstruppen im Libanon, die Hisbollahterroristen. Die Flugzeiten der eigenen Raketen dürften zu lang sein, um dem israelischen Abwehrsystem zu entgehen. Da die Versorgungslinien durch Syrien verlaufen, war es eine massive Schwächung, dass dort das Regime die Kontrolle mehr und mehr verlor. Wissend um ihre prekäre Lage, hat sich die Hisbollah aus allen Kämpfen mit Israel zuletzt herausgehalten, um keinen Gegenschlag vor der Zeit zu riskieren, der sie geschwächt hätte. Der einzige Anschlag, den sie beging, war der feige Mord in Bulgarien, was die Killer wohl als Antwort auf das immer wieder plötzliche Versterben von Bombenbastlern meinten.
Zynisch gesehen eröffnete der syrische Bürgerkrieg ein überraschendes Zeitfenster, die Atombombengefahr bei relativ geringem Potential des Irans, darauf zu reagieren, zu bereinigen. Israel hat dies bis heute nicht genutzt. Im Gegenteil, auch auf immer wiederkehrende Granatenattacken aus Syrien wurde sehr zurückhaltend reagiert. Das Fenster ist noch offen, jedoch scheint die Zeit nicht endlos zu sein. Das haben die Herrscher des Iran durchaus verstanden, weshalb mit zunehmendem Aufwand interveniert wurde, was vermutlich Assad bis heute überleben ließ. Die Mullahs können sich auf keinen Fall den Verlust der Verbindung zum Libanon leisten. Dann nämlich wäre der Libanon von seinen beiden Alpträumen befreit, dem schiitischen Staat im Staate wie dem syrischen Einfluss und hätte sich sogar entwickeln können, statt als Brückenkopf für die Träume von der Vernichtung Israels vegetieren zu müssen. Der Iran wäre weit von Israel abgetrennt, noch ohne A-Bombe ein großsprechender Papiertiger.
Es scheint, als hätten Assad und Hisbollah in den letzten Wochen kleine Schlachten gewonnen. Das muss im Gewirr dieses Krieges nicht viel heißen. Aber es ein Warnschuss, zu bedenken, was es hieße, Assad schlüge die Opposition am Ende wirklich. Vielleicht war er es vorher schon, inzwischen ist er es bestimmt: Eine Marionette des Iran, gänzlich abhängig geworden von jenen, die ihm dann den Hals gerettet hätten. Wer meint, aus seiner Abneigung gegen den Islam heraus seine Schwäche für Assad entdecken zu müssen, der möge sich darüber im Klaren sein, dass dahinter der finsterste Gottesstaat auf Erden steht, der das verwirklicht hat, von dem al-Qaida nur träumt. Bekäme Assad Syrien wieder unter Kontrolle, hätte der Iran nicht nur die Brücke zum Libanon wieder hergestellt, sondern ein Einflussgebiet, das sich wie eine Würgeschlange um Jordanien und Israel legte. Ausgerüstet mit vergleichsweise modernen Waffen und in der Lage, die Assadarmee kurzfristig wieder instand zu setzen. Gleichzeitig sind die Unosoldaten dabei, sich vertragswidrig flüchtend aus der entmilitarisierten Zone zwischen Israel und Syrien zurückzuziehen, weil es ihnen zu bleihaltig wird. Wie ein Regenschirm, den man nur dann behalten darf, wenn die Sonne scheint. Das würde die nahöstliche Welt vollständig ändern. Vordergründig wäre Israel damit bereits in der Zwickmühle, entweder zu warten, bis die Perser die Bombe fertig und damit die Fähigkeit hätten, ihre Träume von der zweiten Shoa zu verwirklichen (die nur der nicht sieht, der auch in der Hitlerzeit nicht drauf gekommen wäre, dass dieser die jüdischen Menschen leibhaftig ausrotten wollte) oder aber zu riskieren, einem Gegenschlag ausgesetzt zu sein, der erhebliche Verluste bringen würde. Die Wirklichkeit geht jedoch viel weiter. Der Iran hätte den Traum von der gemeinsamen Grenze mit Israel verwirklicht, damit die Möglichkeit gewonnen, Jordanien in die Zange zu nehmen, den Libanon vollständig zu kontrollieren und jederzeit einen konventionellen Angriffskrieg zu führen, einen Krieg den Israel zwar durch die Fähigkeiten seiner Luftwaffe zur Versorgungsunterbrechung noch immer gewinnen könnte, der aber angesichts der im ersten Golfkrieg gezeigten Bereitschaft des menschenverachtenden Mullahregimes, seine eigenen Soldaten in Massen in den Tod zu schicken, schmerzhafte Opfer in Israel mit seiner kleinen Bevölkerung kosten würde. Assads Sieg würde nicht die Situation vor dem Bürgerkrieg wieder herbeiführen, stattdessen die gesamte Situation der Region völlig ändern.
Gegen ein solches Szenario wäre ein Erfolg der Opposition selbst dann, wenn er ein fanatisches islamistisches Regime in Damaskus an die Macht brächte, das wesentlich kleinere Übel, denn es würde zwar Terrorismus verstärken, wäre aber von seinen Bewaffungsmöglichkeiten niemals in der Lage, eine existentielle Bedrohung zu sein.
Die syrische Tragödie hält nur schlechte Optionen offen, während täglich Menschen entsetzlich sterben. Das Töten macht das Leidenschaftslose schwer, die Unmöglichkeit angesichts der Lage, wirklich daran etwas ändern zu können, erzwingt es. Dass mediale “Nahostexperten” im deutschen Qualitätsfernsehen weder die von Anfang an bestehende Internationalisierung dieses Kampfes in den Vordergrund stellen, noch die tatsächliche iranische Gefahr auch nur erwähnen, lediglich vor Ausweitung warnen, wenn israelische Notwehrreaktionen auf kleinster Basis erfolgen, sagt viel über deren Mentalität aus.
Die weniger schlechte unter allen üblen Handlungsmöglichkeiten für den Westen wäre tatsächlich die Unterstützung der Opposition und die Bedingung, Schutzzonen für die Minderheiten zu erlauben. Wissend, dass dieses nur begrenzt funktionieren wird und die Waffen anschließend auch gegen die Zivilisation eingesetzt werden können. Man möge sich also überlegen, was man ihnen gibt. Sicher ist, was das Humanitäre betrifft, Assads Rache wäre durch nichts und von niemandem zu begrenzen.
Und ja, diese Realität ist trostlos.
Freud, Focus und die Sache mit der Überschrift
Freud schlug zu, ließe sich entschuldigend sagen, wäre es das erste Mal. Aber bei Focus-Online scheint es einen Überschriftenspezialisten zu geben, der seine Kreativität immer dann voll auslebt, wenn es um den Nahen Osten geht. Oder offener, um Israel, diesen störenden Staat der Juden, der penetrant auf seine Existenz pocht.
Im Jahre 2006 begann es mit der umwerfenden Formulierung “Israel droht mit Selbstverteidigung“, die inzwischen zum geflügelten Wort geworden ist. Dies stand über einem Artikel zum iranischen Wunsch, den Judenstaat mittels selbstgebastelter Atomwaffen auszulöschen und dessen nerviger Reaktion, das einfach verhindern zu wollen, ohne Otto Normalpazifisten dabei um seine Meinung zu fragen. Als der deutsche Journalismus im letzten Jahr ein Meisterstück lieferte, in dem er den Dauerbeschuss ziviler Ziele in Israel über Tage unterschlug, um beim israelischen Gegenschlag geballt aufzuschreien, war es wieder der Focus, der mit einer Überschrift nach dem Waffenstillstand das I-Tüpfelchen lieferte, diesmal hieß es: “Weiter Raketen auf Israel, aber Waffenruhe hält vorerst” Allerdings der Peinlichkeit überführt, wurde dies, nachdem es zu öffentlich wurde, von Netz genommen. Aus den Augen, aus dem Sinn, mag die Redaktion sich gedacht haben, wo das Netzgedächnis doch unendlich ist.
Zum Wochenende kam der syrische Bürgerkrieg wieder in die Schlagzeilen. Nein, nicht weil dort bisher 70.000 Araber starben, tote Araber sind nur presserelevant, wenn sie im Zuge von selbst begonnenen Kampfhandlungen gegen Israel ihr Leben verlieren, sondern weil entweder Rebellen oder Regime Giftgas eingesetzt hatten, wo sich der Obama doch vorher aus Fenster gelehnt hatte, dass so etwas zu weit ginge. Und weil Israel davon unabhängig zwei Luftangriffe gegen Raketenlieferungen des Iran über Syrien an die Hisbollah erfolgreich flog. Das nämlich ist Assads Dank für die Mullahhilfe beim Menschenschlachten, modernste Raketen, vorgesehen zum Beschuss von Israel nach dem Tage X, an welchem das persische Bombenbasteln gewaltsam beendet würde. Da der Iran Israel, dank dessen Raketenabwehrtechnologie und den vergleichsweise langen Flugzeiten, nicht wirklich gefährlich werden kann, wäre zur Vergeltung die Hisbollah vorgesehen gewesen. Nur, seit dem Ghettoaufstand von Warschau wehren sich Juden. Dumm gelaufen. Wieder diese ärgerliche Sache mit der Selbstverteidigung.
Die Luftangriffe wären ein neuer Konflikt, als würde nicht seit drei Jahren in Syrien getötet, schwadronierte das Qualitätsmedium Heutejournal, der bedeutungsschwangere “Experte” faselte von Syriens Gegenschlag, als wäre die syrische Armee nicht längst verschlissen und schon mit dem Bürgerkrieg überfordert, als hätte sie nicht bereits die Kontrolle über das Vorfeld zur israelischen Grenze verloren. Propaganda oder Dummheit, egal. Halt GEZ finanziert.
Das konnte nur der Überschriftenfreak des Focus toppen. Er tat es. Mischte mal kurzzeitig beide Bürgerkriegsvorfälle in Syrien zusammen und schon war der wahre Giftgastäter ertappt:
Die Juden waren es. Gott sei Dank hat uns Assads Besonnenheit vor weiteren Katastrophen bewahrt. Zugegeben, dazu fällt nicht mehr viel ein. Wenn man zugrunde legt, dass nicht Debilität Einstellungsvoraussetzung beim Focus ist, dann kann das nur perfide Bosheit sein. Oder aber, s.o. der gute alte Freud hat wieder zugeschlagen. Uns vor Augen geführt, wie es im deutschen Journalisten denkt. Ihn überführt. Denn pssst, Freud war Jude. Die Weltverschwörung lauert überall.
“Darf ich angesichts der Überschrift kurz nachfragen, ob ihr eigentlich noch ganz dicht seid oder alternativ, welcher Taliban das Kraut liefert, das ihr in der Redaktion zu rauchen bekommt?”
So mein Kommentar beim Focus. Nein, natürlich haben sie ihn nicht veröffentlicht, wer hätte auch Humor vermutet. Aber eine halbe Stunde später wechselten sie still die Überschrift aus.
Eine Entschuldigung an Israel? Nie im Leben, das tut ein deutscher Journalist nicht. Warten wir also getrost auf die nächste Focusüberschrift.
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Erstveröffentlichung bei Schwarzweiß – Kontraste – Zwischentöne
Journalismus als Meinungsmanipulation oder auch ein Weg zu 20%
Neulich in der Redaktion nannte Claudio Casula seine schon im Dezember 2010 geschriebene bittere Satire über den Alltag des deutschen Journalismus im Umgang mit Nahostthemen. Sie ist zeitlos und das Schlimmste an ihr ist, dass sie nicht einmal satirisch wirkt. Es ist die schlichte fiktive Beschreibung der Wirklichkeit mit dem einzig Unrealistischen dabei, dass es einen solchen Praktikanten, wie er dort Protagonist ist, nie geben würde. In Schule, Medien, Studium, Umfeld längst gehirngewaschen, würde er gar nicht bemerken, wie die Wahrheit ist und seinem Chef schon von sich aus eitel Freude machen. Seit dem Wochenende bis zum gestrigen Mittwoch aber haben die deutschen Medien in einer schon verblüffenden Offenheit Casulas Darstellung für jeden sichtbar mit atemberaubender Dreistigkeit übertroffen.
Seit diesem Wochenende nämlich werden die Orte und Städte des Südens Israels täglich mit Raketen beschossen. Die Menschen leben zwischen Alarmen und Bunkern. Oft nur Sekunden trennen Abschuss und Einschlag. Kriegsleben eben, keine Schule, keinerlei Normalität. Tag für Tag, 120 bis 140 Raketen waren es bis zum Mittwoch. Beschaut man sich die Reaktion, wenn einzelne syrische Granaten in der Türkei explodieren, dann wären Heerscharen von Journaille mit Liveberichterstattung zu erwarten gewesen. Wie es tatsächlich war, hat jeder mitbekommen oder besser nicht mitbekommen. Der Beschuss fand in Deutschlands Medien nicht statt. Mit einer rühmlichen Ausnahme, dem Hamburger Abendblatt, dem einzigen Zeugnis dieses Kriegsverbrechens, nichts anderes ist der Raketenbeschuss von Städten und Dörfern ohne Kriegserklärung. Lediglich der Angriff der Hamas auf einen Militärjeep wurde kurz erwähnt, allerdings auch nur im Zusammenhang mit Gegenbeschuss, als gäbe es nicht Ursache und Wirkung. Was also lernte der deutsche Fernsehkonsument, Spiegel-, TAZ-, Süddeutsche-, Rundschau- oder was auch immer Leser? Es gab Ende letzter Woche einen Schusswechsel zwischen Israel und der Hamas. Punkt. Vier Tage später greifen die fiesen Juden plötzlich aus der Luft an und töten eine Art Minister. Einfach so. Fliegen seither Luftangriffe und die armen Palästinenser fürchten einen neuen Krieg, wie Spiegel-Online überaus perfide schrieb, als hätten deren Führer ihn nicht ein paar Tage vorher begonnen. Ein Schelm, wer nicht glauben wollte, dass die Raketenangriffe nicht in deutschen Redaktionsstuben bemerkt wurden, dass die Korrespondenten nicht in Bereitschaft saßen. Natürlich wollten sie berichten. Über den israelischen Gegenschlag. Solange mussten sie warten. Wahrscheinlich waren die Grundzüge ihrer Berichte schon fertig auf dem Laptop.
Dafür allerdings übertrafen sie sich dann selber. Im Spiegel, wo der Wahlkampf Netanyahu ein brandgefährliches Spiel mit einem Angriffskrieg spielen lässt, das öffentlich-rechtliche Qualitätsfernsehen dreht den Ablauf des Geschehens schlicht mit offener Lüge um, ebenso die TAZ, deren übler Propagandaartikel die Täter/Opfer Umkehr bis zum Äußersten auswalzt. Natürlich gilt dasselbe für so gut wie alle Medien dieses Landes auch, nicht einmal die FAZ würdigt die Vorgeschichte des Gegenschlags, der Leser soll nur nicht mit weiteren Beispielen gelangweilt werden. Falls er sie doch möchte, so schalte er den Fernseher ein. Es ist ein schier unbegreifliches Phänomen in diesem Land.
Gut, der deutsche Journalismus ist mit wenigen Ausnahmen ein Produkt der 68er, deren Liebe zu Massenmördern, wie Lenin, Hồ Chí Minh, Mao oder Che Guevara ebenso bekannt ist, wie ihre Hinwendung zum palästinenischen Terroranführer Arafat. Alles im Namen der persönlichen Abrechnung mit dem Nazismus der Väter wohlgemerkt. Aber das Hamasregime kann einfach nicht in deren Sinne sein. Eine gnadenlose Religionsdiktatur, die ihrer Gegner einsperrt, foltert, hinrichtet oder bei Gelegenheit auch mal aus dem Fenster wirft, die die Gesellschaft bis zu den kleinsten Kindern durchmilitarisiert hat und Frauen zu Menschen zweiter Klasse macht, das ist nicht wirklich die Lieblingsstaatsform des genderstählten Pazifisten. Dennoch ist er bereit, längst routiniert darin, alle Grundsätze eines objektiven Journalismus für dieses Regimes zu vergessen und offen manipulierende Propaganda dafür zu betreiben.
Wenn aber der unterstützte Angreifer nichts hat, was den geneigten Postachtundsechziger anziehen könnte, so muss sein Motiv auf der Seite Israels zu finden sein. Eine moderne Demokratie westlicher Prägung, engster Verbündeter der USA, gut, schon das ein Grund, es nicht zu mögen. Der Hass auf die freie Gesellschaftsordnung des Westens seitens ihrer größten Nutznießer ist Teil des beliebten linken Antiamerikanismus; so gesehen ist jeder ein Verbündeter, der eine westliche Gesellschaftsordnung bekämpft. Das allein aber reicht zur Erklärung nicht. Es ist dem Journalisten klar, was er tut, wie es ankommt. Jetzt schlagen die Juden schon wieder einfach los und gefährden den Frieden, stellt der deutsche Zeitgenosse ganz offen in den Foren fest, in einem Land, in dem sich die Studien nur darüber streiten, ob der latente Antisemitismus bei 20% oder 25% liegt und in dem auch ohne Günter Grass Konsens besteht, dass Israel die größte Gefahr für den Frieden darstellt, wo natürlich nicht zwischen Juden und ihrem Staat differenziert wird, warum auch. Wer kann es den Leuten verdenken, wenn sie ihre Nachrichten sehen, ihre Zeitungen lesen und es genau so bei ihnen ankommt. Ewig hauen die sich da unten und dann fängt Israel noch mit dem richtigen Krieg an. Wo wir doch nur unsere Ruhe haben wollen, um nachhaltige Windmühlen zu betreiben. Das antisemitische Denken wird nicht nur bedient, es wird bestärkt, bei den Jüngeren erst hervorgerufen. Auf die Idee, dem deutschen Wohnzimmerhelden vor Augen zu führen, was in diesem Land wohl los wäre, wenn die Nachbarn es zum Credo erhoben hätten, Deutschland auszulöschen, in deren Kindergärten und Schulen nur Hass gelehrt würde und täglich ein Gebiet im Größenverhältnis hochgerechnet auf Deutschland in der Größe Baden-Württembergs unter Raketenfeuer läge, kommt ein deutscher Redakteur natürlich nicht. Dann würde er ja Gefahr laufen, sein Leser würde verstehen, was in Israel passiert und weshalb es nicht nur rechtmäßig, sondern notwendig ist, sich zu wehren, Pflicht einer Regierung, die ihre Menschen schützen muss.
Israelkritik in dieser Form ist eben nicht legitime Kritik an für falsch gehaltener Regierungspolitik, sie ist platter Antisemitismus. Bewusste Nachrichtenunterdrückung, Falschdarstellung und Diffamierung, in dieser Woche nur so ungeniert und augenfällig, ohne Versuch einer Verschleierung, dass jeder, der hinsah, drüber fallen musste. Doch Realität schon seit Jahren, wenn auf Siedler verwiesen wird, die angeblich den Frieden unmöglich machten, statt auszusprechen, dass es in Wahrheit die Weigerung der palästinensischen Seite ist, Israel als Staat der Juden anzuerkennen, zeigt doch der Hamasstaat, wie nützlich es ist, alle Siedlungen abzubauen und ohne Friedensabkommen den Palästinensern das Land zu übergeben, wenn Gaza geschmacklos mit einem Ghetto verglichen wird, das gegen eine Hungerblockade Hilfsschiffe bräuchte und niemand berichtet, dass täglich alles Lebenswichtige über Israel geliefert wird, eine zweite Grenze zu Ägypten besteht und die Blockade nur dazu dient, Waffenlieferungen zu unterbinden, Waffen, die täglich eingesetzt würden; wenn Verhandlungen mit den Terroristen gefordert werden, obwohl die sympathischer Weise ganz offen sagen, dass sie gar nicht verhandeln wollen, sondern ihnen Gaza nur Aufmarschgebiet ist, um Israel zu vernichten. Wer wissentlich so falsch berichtet und verlogen argumentiert, dem geht es nicht um Kritik, schon gar nicht um freundschaftliche, es geht ihm um das Bekämpfen und Delegitimieren des Staates der Juden, um die Zerstörung seines Images in der deutschen Gesellschaft unter mindestens der Inkaufnahme, dass dies auch den allgemeinen Antijudaismus der Menschen fördert. Wer das tut, ist ein Antisemit. Von mir aus ein latenter.
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Erstveröffentlichung bei Schwarzweiß – Kontraste – Zwischentöne