Freud schlug zu, ließe sich entschuldigend sagen, wäre es das erste Mal. Aber bei Focus-Online scheint es einen Überschriftenspezialisten zu geben, der seine Kreativität immer dann voll auslebt, wenn es um den Nahen Osten geht. Oder offener, um Israel, diesen störenden Staat der Juden, der penetrant auf seine Existenz pocht.
Im Jahre 2006 begann es mit der umwerfenden Formulierung “Israel droht mit Selbstverteidigung“, die inzwischen zum geflügelten Wort geworden ist. Dies stand über einem Artikel zum iranischen Wunsch, den Judenstaat mittels selbstgebastelter Atomwaffen auszulöschen und dessen nerviger Reaktion, das einfach verhindern zu wollen, ohne Otto Normalpazifisten dabei um seine Meinung zu fragen. Als der deutsche Journalismus im letzten Jahr ein Meisterstück lieferte, in dem er den Dauerbeschuss ziviler Ziele in Israel über Tage unterschlug, um beim israelischen Gegenschlag geballt aufzuschreien, war es wieder der Focus, der mit einer Überschrift nach dem Waffenstillstand das I-Tüpfelchen lieferte, diesmal hieß es: “Weiter Raketen auf Israel, aber Waffenruhe hält vorerst” Allerdings der Peinlichkeit überführt, wurde dies, nachdem es zu öffentlich wurde, von Netz genommen. Aus den Augen, aus dem Sinn, mag die Redaktion sich gedacht haben, wo das Netzgedächnis doch unendlich ist.
Zum Wochenende kam der syrische Bürgerkrieg wieder in die Schlagzeilen. Nein, nicht weil dort bisher 70.000 Araber starben, tote Araber sind nur presserelevant, wenn sie im Zuge von selbst begonnenen Kampfhandlungen gegen Israel ihr Leben verlieren, sondern weil entweder Rebellen oder Regime Giftgas eingesetzt hatten, wo sich der Obama doch vorher aus Fenster gelehnt hatte, dass so etwas zu weit ginge. Und weil Israel davon unabhängig zwei Luftangriffe gegen Raketenlieferungen des Iran über Syrien an die Hisbollah erfolgreich flog. Das nämlich ist Assads Dank für die Mullahhilfe beim Menschenschlachten, modernste Raketen, vorgesehen zum Beschuss von Israel nach dem Tage X, an welchem das persische Bombenbasteln gewaltsam beendet würde. Da der Iran Israel, dank dessen Raketenabwehrtechnologie und den vergleichsweise langen Flugzeiten, nicht wirklich gefährlich werden kann, wäre zur Vergeltung die Hisbollah vorgesehen gewesen. Nur, seit dem Ghettoaufstand von Warschau wehren sich Juden. Dumm gelaufen. Wieder diese ärgerliche Sache mit der Selbstverteidigung.
Die Luftangriffe wären ein neuer Konflikt, als würde nicht seit drei Jahren in Syrien getötet, schwadronierte das Qualitätsmedium Heutejournal, der bedeutungsschwangere “Experte” faselte von Syriens Gegenschlag, als wäre die syrische Armee nicht längst verschlissen und schon mit dem Bürgerkrieg überfordert, als hätte sie nicht bereits die Kontrolle über das Vorfeld zur israelischen Grenze verloren. Propaganda oder Dummheit, egal. Halt GEZ finanziert.
Das konnte nur der Überschriftenfreak des Focus toppen. Er tat es. Mischte mal kurzzeitig beide Bürgerkriegsvorfälle in Syrien zusammen und schon war der wahre Giftgastäter ertappt:
Die Juden waren es. Gott sei Dank hat uns Assads Besonnenheit vor weiteren Katastrophen bewahrt. Zugegeben, dazu fällt nicht mehr viel ein. Wenn man zugrunde legt, dass nicht Debilität Einstellungsvoraussetzung beim Focus ist, dann kann das nur perfide Bosheit sein. Oder aber, s.o. der gute alte Freud hat wieder zugeschlagen. Uns vor Augen geführt, wie es im deutschen Journalisten denkt. Ihn überführt. Denn pssst, Freud war Jude. Die Weltverschwörung lauert überall.
“Darf ich angesichts der Überschrift kurz nachfragen, ob ihr eigentlich noch ganz dicht seid oder alternativ, welcher Taliban das Kraut liefert, das ihr in der Redaktion zu rauchen bekommt?”
So mein Kommentar beim Focus. Nein, natürlich haben sie ihn nicht veröffentlicht, wer hätte auch Humor vermutet. Aber eine halbe Stunde später wechselten sie still die Überschrift aus.
Eine Entschuldigung an Israel? Nie im Leben, das tut ein deutscher Journalist nicht. Warten wir also getrost auf die nächste Focusüberschrift.
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Erstveröffentlichung bei Schwarzweiß – Kontraste – Zwischentöne